Gerecht ist, was Unterschiede achtet – und Vielfalt anerkennt
Das Verständnis von Bildungsgerechtigkeit als Anerkennungsgerechtigkeit rückt die Qualität sozialer Beziehungen in den Mittelpunkt. Im Gegensatz zu Verteilungs- oder Schwellengerechtigkeit geht es hier nicht (nur) um Ressourcen oder Ergebnisse, sondern um die Wertschätzung von Menschen in ihrer Verschiedenheit.
Die Grundidee: Bildung wird erst dann gerecht, wenn alle Personen als gleich würdig geachtet werden – unabhängig von Herkunft, Sprache, Geschlecht, Begabung oder Lebensform. Anerkennung zeigt sich in Respekt, Empathie, Aufmerksamkeit – im zwischenmenschlichen Umgang und im institutionellen Rahmen von Schule.
Diese Perspektive fragt: Wie wird ein Kind gesehen? Wird es gehört, beteiligt, respektiert?
Das Prinzip der „egalitären Differenz“ (Annedore Prengel) bringt dies auf den Punkt: Unterschiede anerkennen, ohne zu bewerten – und gerecht mit ihnen umgehen.
Anerkennungsgerechtigkeit erweitert damit die Diskussion über Bildungsgerechtigkeit um Fragen von Haltung, Beziehung und pädagogischem Ethos. Sie macht deutlich, dass es nicht nur um gleiche Chancen oder gleiche Schwellen geht, sondern auch darum, wie wir miteinander umgehen – im Unterricht, auf dem Schulhof, im System.
Gleichzeitig bleibt dieser Ansatz nicht ohne Kritik.
So wird bemängelt, dass das konflikthafte Ringen um Anerkennung häufig ausgeblendet bleibt – ebenso wie die Machtverhältnisse, in denen Anerkennung verteilt wird.
Auch wird diskutiert, ob Anerkennung teilweise funktionalisiert wird – etwa als Mittel zur Leistungssteigerung –, statt als Ziel an sich ernst genommen zu werden.
Ein konkreter Zugang zur Anerkennungsgerechtigkeit ist das Konzept der inklusiven Begabungsförderung. Hier wird versucht, die Vielfalt individueller Fähigkeiten im Bildungssystem zu verankern – trotz der Selektionslogik, die dem Schulsystem weiterhin eingeschrieben ist. Inklusive Begabungsförderung verbindet damit den Blick auf individuelle Potenziale mit dem Anspruch, Schule als gemeinschaftlichen Ort zu denken.